Transformation urbaner Räume

Die Städte werden immer voller und der Platz knapper. Ist hier nicht ein Umnutzen von Bestandsgebäuden sinnvoll? Und ist es machbar, den Bedürfnissen der Menschen gerecht zu werden? In ihrer Masterarbeit untersucht Jil Becker den Platzbedarf und entwickelt eine Organisationsstruktur, die verschiedene Themenfelder detailliert ausarbeitet. Becker fokussiert sich auf große Gebäudekomplexe mit hohem Anteil an grauer Energie und passt diese an die wandelnden Bedürfnisse der Zeit an. Dabei geht es darum, dass ein Objekt nicht mehr nur einer einzigen Funktion dient, sondern eine neue, vielfältige Durchmischung erfährt. Ziel ist es, durch Revitalisierung bestehender Strukturen neue urbane Räume zu schaffen. Diese sollen den innerstädtischen Platzmangel lösen und multifunktionale Nutzungen ermöglichen, wie z.B. Wohnflächen, Freizeitangebote und Arbeitsflächen, die auf großen Raum gestapelt sind. Auf diese Weise finden heterogene Lebensweisen an einem Ort Platz.

Ein konkretes Beispiel für Beckers Ansatz ist der 10-geschossige Bau mit Waschbetonfassade an der Ecke Klarenthaler Straße und Kurt-Schumacher-Ring, derzeit Standort der Agentur für Arbeit. Dieses Gebäude bietet eine hervorragende Anbindung an die städtische Infrastruktur: Innerhalb weniger Gehminuten erreicht man zwei Bushaltestellen, die schnell in die Innenstadt führen. Der Wiesbadener Hauptbahnhof ist 2,5 Kilometer entfernt und leicht mit Auto, Fahrrad oder E-Scooter erreichbar. In direkter Umgebung befinden sich ein Standort der Hochschule RheinMain, eine Sporthalle, die Landesbibliothek, Schwimmbäder und das Wellritztal mit zahlreichen Grünflächen und Freizeitangeboten.

Becker betont die wachsende Bedeutung von Homeoffice und Videokonferenzen, die dazu führen, dass Menschen kürzere Wege zur Arbeit bevorzugen und mehr Zeit mit Familie und Hobbys verbringen möchten. Dadurch entsteht ein Bedarf an neuen Lösungen für innerstädtischen Platzmangel. Ihre Idee ist es, durch Umnutzung bestehender Gebäude neue urbane Räume zu schaffen. Diese multifunktionalen Konzepte sollen mit minimalem Aufwand eine maximale Ausnutzung großer Flächen für eine breite Zielgruppe ermöglichen.

Ein weiteres zentrales Anliegen von Becker ist die Materialgerechtigkeit. Verbundstoffe, die kaum trennbar sind und oft in Verbrennungsanlagen landen, sollen durch ehrliche Materialien ersetzt werden. Diese Materialien können nach ihrem Einsatz leicht getrennt und recycelt oder direkt wiederverwendet werden. Bei der Planung ist es wichtig, den Bestand als Grundlage zu sehen. Große Umbaumaßnahmen müssen maximalen Sinn ergeben, um die Räumlichkeiten optimal nutzen zu können. Bis auf tragende Stützen, Träger und Wände werden die Gebäude entkernt. Neues findet als ehrliches Material seinen Platz und wird nicht verkleidet, Installationen verlaufen sichtbar und Flächen erhalten einen multifunktionalen Nutzen.

Das Gebäude soll sich mit eigens produzierter erneuerbarer Energie selbst unterstützen. Photovoltaikanlagen und kleine Windturbinen werden an den neu errichteten umlaufenden Außenflächen angebracht. Zudem wird auf einigen Etagen mit hohem Fußverkehr ein Energyfloor verlegt, der die Energie der Schritte aufnimmt und in Strom umwandelt. Im Kellergeschoss befinden sich große Stromspeicher, die Energie abgeben, wenn sie benötigt wird. Jil Beckers Masterarbeit zeigt innovative Wege auf, wie durch die Umnutzung und Revitalisierung bestehender Gebäude neue, nachhaltige und multifunktionale urbane Räume geschaffen werden können. Dies ist ein wichtiger Beitrag zur Lösung des innerstädtischen Platzmangels und zur Anpassung an die sich verändernden Bedürfnisse der Gesellschaft.

Masterarbeit von Jil Becker